In Deutschland wird der Traum vom Eigenheim traditionell mit der Vorstellung verknüpft, ausreichend Eigenkapital mitbringen zu müssen. Doch im Jahr 2025 erleben wir eine zunehmende Verbreitung von Baufinanzierungen ohne Eigenkapital. Diese Vollfinanzierungen eröffnen insbesondere jungen Familien, Berufseinsteigern und alleinstehenden Personen neue Möglichkeiten, den Immobilienerwerb zu realisieren, auch wenn keine oder nur geringe Rücklagen vorhanden sind. Die anhaltend niedrigen Zinsen spielen hierbei eine wesentliche Rolle, denn sie machen es attraktiver, auf angespartes Eigenkapital zu verzichten und stattdessen den gesamten Kaufpreis samt Nebenkosten über einen Kredit zu finanzieren. Doch diese Finanzierungsform birgt auch erhebliche Risiken, die gerade unerfahrene Kreditnehmer kennen sollten, um ihr Bauprojekt sicher und nachhaltig zu realisieren. Banken prüfen dabei die Kreditwürdigkeit besonders streng und verlangen oftmals Sicherheiten sowie den Nachweis eines gesicherten Einkommens, um das Ausfallrisiko zu minimieren. Nicht selten kommt es dabei zu höheren Zinskosten und längeren Laufzeiten, was die finanzielle Belastung erheblich steigert. In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Facetten und Risiken der Baufinanzierung ohne Eigenkapital, geben praxisnahe Beispiele und zeigen Wege auf, wie ein effektives Risikomanagement aussehen kann.
Grundlagen und Varianten der Baufinanzierung ohne Eigenkapital verstehen
Die Baufinanzierung ohne Eigenkapital bedeutet, dass der komplette Kaufpreis einer Immobilie durch Fremdmittel, also Kredite, gedeckt wird. Anders als bei traditionellen Finanzierungen, bei denen circa 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital eingebracht werden, verzichtet der Vollfinanzierungskunde auf eigene Mittel. Dies hat unmittelbare Konsequenzen hinsichtlich der Kreditkonditionen und der Anforderungen der Bank.
Man unterscheidet vor allem zwei Varianten:
- 100-Prozent-Finanzierung: Hier wird lediglich der Kaufpreis der Immobilie finanziert. Kaufnebenkosten wie Notar- und Grundbuchgebühren, Grunderwerbssteuer oder Maklerprovisionen müssen aus eigenen Mitteln getragen werden.
- 110-Prozent- oder Vollfinanzierung: Diese Variante beinhaltet neben dem Kaufpreis auch die vollständige Finanzierung der Kaufnebenkosten. Die Bank gewährt in diesem Fall ein höheres Kreditvolumen, das teilweise über einen kombinierten Privatkredit oder das Hauptdarlehen läuft.
Zur detaillierten Übersicht der Kaufnebenkosten (je nach Bundesland variierend):
Kostenart | Prozentsatz des Kaufpreises | Beschreibung |
---|---|---|
Grunderwerbssteuer | 3,5 – 6,5 % | Abhängig vom Bundesland, steuerliche Abgabe beim Immobilienkauf. |
Notarkosten | 0,5 – 1,5 % | Für den Kaufvertrag und die Grundbucheintragung. |
Grundbuchkosten | ca. 1,5 % | Gebühren für die Umschreibung im Grundbuch. |
Maklerprovision | 3 – 7 % | Je nach Bundesland unterschiedlich, fällig bei Immobilienvermittlung. |
Obwohl die Vollfinanzierung besonders für Käufer ohne Ersparnisse verlockend scheint, ist es essenziell, die Kreditkonditionen und die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit sorgfältig abzuwägen, bevor man sich für ein solches Finanzierungsmodell entscheidet.

Eignung und Voraussetzungen für eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital
Eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital ist nicht für jeden geeignet. Banken prüfen potenzielle Kreditnehmer besonders genau und verlangen hohe Anforderungen für eine Kreditzusage:
- Hervorragende Kreditwürdigkeit: Ein tadelloser Schufa-Score ist unerlässlich, um der Bank Sicherheit über die Rückzahlungsfähigkeit zu bieten.
- Gesichertes und hohes Einkommen: Die Bank orientiert sich häufig an der „40-Prozent-Regel“, welche bestimmt, dass die monatlichen Kreditraten nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen sollten.
- Unbefristeter und sicherer Arbeitsplatz: Nur mit stabilen beruflichen Verhältnissen sehen Banken das Risiko als vertretbar an.
- Keine Einkommensschwankungen: Selbstständige oder personen mit unregelmäßigem Einkommen haben es deutlich schwerer, eine Vollfinanzierung zu erhalten.
Die Bank sichert sich im Rahmen der Baufinanzierung durch die Eintragung einer Grundschuld oder Hypothek ab, die im Falle von Zahlungsschwierigkeiten die Verwertung der Immobilie erlaubt. Zusätzlich empfiehlt sich ein umfassendes Risikomanagement, etwa durch eine Risikolebensversicherung oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung, um persönliche Notlagen abzufedern.
Ein Beispiel: Familie Müller, Berufstätige mit einem monatlichen Netto-Einkommen von 5.000 Euro, plant eine Vollfinanzierung ihres Neubaus. Die monatliche Belastung von 2.000 Euro entspricht genau 40 Prozent ihres Einkommens und wird von der Bank als tragbar eingestuft. Zudem besitzt die Familie einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Zur Einschätzung der Kreditwürdigkeit und zur Planung des Finanzierungsprojektes lohnt sich eine professionelle Finanzierungsberatung, die auf individuelle Situationen eingeht und Alternativen aufzeigt.
Wichtige Kriterien für die Kreditgenehmigung:
- Klarheit über monatliche Ausgaben und Einnahmen
- Nachweis der Sicherheiten und Beschäftigungsverhältnisse
- Verständnis über mögliche Tilgungsmodelle und Zinsbindung
- Bewusstsein für die erforderliche finanzielle Belastbarkeit über die gesamte Laufzeit
Zinskosten, Tilgung und Laufzeiten bei Baufinanzierungen ohne Eigenkapital
Die Zinsgestaltung bei einer Baufinanzierung ohne Eigenkapital unterscheidet sich deutlich von Finanzierungen mit Eigenkapital. Banken verlangen höhere Zinssätze, um das erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren. Aktuell liegen Zinsangebote für Vollfinanzierungen häufig zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Im Vergleich sind Finanzierungen mit Eigenkapitaleinsatz oft günstiger.
Wichtige Faktoren bei der Rückzahlung sind:
- Annuitätendarlehen: Gleichbleibende monatliche Raten, die aus Zins und Tilgung bestehen. Während der Laufzeit reduziert sich der Zinsanteil, der Tilgungsanteil erhöht sich.
- Festdarlehen: Bei dieser Modellform zahlt der Kreditnehmer während der Laufzeit nur Zinsen, die Tilgung erfolgt in einer Summe am Ende.
- Restschuld: Insbesondere bei längeren Laufzeiten bleibt oftmals eine Restschuld übrig, die entweder durch Anschlussfinanzierungen mit variablem Zinsrisiko oder andere Finanzierungsformen beglichen werden muss.
Tilgungsmodell | Monatliche Belastung | Zinsanteil im Zeitverlauf | Restschuld am Ende |
---|---|---|---|
Annuitätendarlehen | Stabil, sinkt kaum | Sinkt kontinuierlich | Kann hoch sein bei kurzer Zinsbindung |
Festdarlehen | Nur Zinsen während Laufzeit | Bleibt konstant | Volle Darlehenssumme bleibt bestehen |
Da sich die Zinsbindung bei einer Vollfinanzierung häufig auf 10 bis 15 Jahre beläuft, erhöht sich das Risiko, bei der Anschlussfinanzierung mit höheren Zinssätzen konfrontiert zu werden. Hier helfen Forward-Darlehen, um günstige Konditionen langfristig zu sichern: Weitere Informationen zum Forward-Darlehen.
Ein fiktives Beispiel verdeutlicht das Risiko: Herr Weber hat seine Immobilie 2020 ohne Eigenkapital finanziert und profitiert von niedrigen Zinsen. 2025 läuft die Zinsbindung aus, das Zinsniveau ist jedoch gestiegen. Somit muss er für die Anschlussfinanzierung mit höheren Belastungen rechnen, die seine monatliche Haushaltskasse stark strapazieren könnten.
Risikomanagement bei der Baufinanzierung ohne Eigenkapital
Die Entscheidung für eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital bedeutet ein erhöhtes finanzielles Risiko. Ein umsichtiges Risikomanagement ist daher essentiell. Folgende Maßnahmen helfen, die Risiken zu minimieren:
- Sorgfältige Budgetplanung: Eine realistische Einschätzung der monatlichen Belastbarkeit unter Berücksichtigung von Puffer für unerwartete Ausgaben.
- Sicherung durch Versicherungen: Risikolebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung oder Arbeitslosenversicherung können vor finanziellen Engpässen schützen.
- Flexible Tilgungsmodelle: Hohe Anfangstilgungen verringern die Restschuld und mindern das Risiko bei Anschlussfinanzierungen.
- Beratung durch Experten: Eine qualifizierte Finanzierungsberatung hilft, den passenden Kredit und eine maßgeschneiderte Finanzierung zu finden.

Wichtig ist außerdem, die eigenen Chancen und Risiken realistisch zu bewerten und gegebenenfalls Alternativen zur Vollfinanzierung in Betracht zu ziehen. So kann etwa eine Baufinanzierung mit einem Eigenkapitaleinsatz von 7,5 bis 20 Prozent die Risiken deutlich reduzieren und gleichzeitig die Finanzierungskosten senken.
Vor- und Nachteile einer Baufinanzierung ohne Eigenkapital im Überblick
Die Entscheidung für eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital bietet sowohl Chancen als auch Risiken, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.
Vorteile
- Schneller Immobilienerwerb: Die Immobilie kann sofort finanziert werden, ohne lange Sparphasen für Eigenkapital.
- Nutzung von Niedrigzinsen: In Zeiten günstiger Zinsen ist die Vollfinanzierung oft kosteneffizienter als das Ansparen von Kapital.
- Zugang fürs junge Erwerber: Besonders für junge Familien oder Berufseinsteiger mit sicherem Einkommen ist der Weg ins Eigenheim erreichbar.
- Flexible Finanzierung: Banken bieten teilweise individuelle Modelle und Beratung an, um die Finanzierung an die Kundenbedürfnisse anzupassen.
Nachteile
- Höhere Zinssätze: Banken verlangen Aufschläge, da das Ausfallrisiko erhöht ist.
- Größeres Schuldenrisiko: Bei Zahlungsausfall drohen größere Restschulden und Zwangsversteigerung.
- Strenge Anforderungen: Nur wenige Banken gewähren eine Vollfinanzierung und verlangen umfassende Sicherheiten.
- Längere Laufzeiten und hohe Tilgungsraten: Die Rückzahlung ist oft belastend und zieht sich über viele Jahre.
- Eingeschränkte Immobilienwahl: Gute Lage und Zustand sind oft Voraussetzungen für eine Kreditbewilligung.
Aspekt | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|
Finanzierung | Schneller Erwerb ohne Ersparnisse | Hohe Zinsen und Kosten |
Risiken | Ermöglicht Einstieg ins Eigenheim | Gefahr von Schuldenfallen |
Bank | Beratung und individuelle Modelle | Strenge Kreditprüfung |
Immobilie | Finanzierung guter Objekte möglich | Eingeschränkte Auswahl |
FAQ – Wichtige Fragen zur Baufinanzierung ohne Eigenkapital
- Ist eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital überhaupt möglich?
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen wie guter Kreditwürdigkeit und einem sicheren Einkommen bieten einige Banken Vollfinanzierungen an. - Wie hoch sind die Zinsen bei einer Vollfinanzierung?
Die Zinsen liegen meist höher als bei Finanzierungen mit Eigenkapital, aktuell zwischen 1,5 und 2,5 Prozent, abhängig von Bonität und Marktlage. - Was sind die größten Risiken einer Baufinanzierung ohne Eigenkapital?
Die langfristige finanzielle Belastung durch hohe Zinsen und Tilgungsraten sowie das Risiko von Zahlungsausfällen und daraus resultierenden Schulden. - Kann ich die Kaufnebenkosten mitfinanzieren?
Ja, bei einer 110-Prozent-Finanzierung sind sowohl der Kaufpreis als auch die Nebenkosten Teil des Kredits. - Wie kann ich meine Baufinanzierung ohne Eigenkapital besser absichern?
Durch den Abschluss von Risikoversicherungen, flexible Tilgungsmodelle und eine fundierte Finanzierungsberatung lassen sich Risiken wirksam minimieren.